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Lennart Sass – meine Geschichte

Lennart Sass

Mein Name ist Lennart Sass, im Jahre 2000 geboren lebe ich mit meinen Eltern, meiner jüngsten Schwester und unserer Hündin Emma in Rendsburg. Ich habe drei ältere Schwestern. Mit meinen Augen hatte ich bis zum Sommer 2016 keinerlei Probleme.

Zur Zeit besuche ich die gymnasiale Oberstufe einer Gemeinschaftsschule.

Seit Juli 2016 begleitet mich eine Seheinschränkung. Nachdem die Erbkrankheit LHON ausbrach, entwickelte sich mein Visus innerhalb von Wochen auf den heutigen Tiefstand der Blindheit. Mein Sichtfeld kann noch leichte schemenhafte Bewegungen, als auch hell und dunkel wahrnehmen.

Es begann primär beim Sport Handball, welchen ich zu dem Zeitpunkt seit 6 Jahren ausübte. Ich sah dunkle Flecken und kreuselförmiges Flimmern und schob es erstmal auf die sommerlichen Temperaturen und die Anstrengungen des Sports. Dass diese Veränderung fast konstant war, realisierte ich vorerst nicht. Ich vermutete lediglich Kreislaufprobleme oder sonnenempfindliche Augen, denn mein Sichtfeld ähnelte auch dem Symptom, welches nach zu langer Sonneneinstrahlung vorgefunden wird. Ich flog also ohne größere Bedenken nach Kroatien in den Urlaub und verschob den noch vor dem Urlaub angesetzten Augenarzttermin. Meine Eltern waren ebenfalls bedenkenlos, da das Problem nie unabhängig vom Sport kommuniziert wurde. Als ich am 2. Urlaubstag meine eigene Freundin in Kroatien aus der Ferne nicht mehr erkannte, wurde das von mir falsch wahrgenommene oder verdrängte Problem bewusst und somit auch meinen Eltern. Wir suchten direkt einen Augenarzt auf und nachdem die Diagnose stand (Visus: rechts 5 %, links 20%) die Fachärztin jedoch keine Mängel direkt am Auge feststellen konnte, vermutete sie eine Störung der Sehnerven und riet uns umgehend eine deutsche Fachklinik aufzusuchen. Am nächsten Tag flogen wir nach Hamburg  zurück und nachdem wir in der Uniklinik Lübeck eintrafen, startete ein umfangreiches Diagnose-Programm in unterschiedliche Richtungen. Mein Visus hatte sich inzwischen auf 5 % rechts und 10% links verringert. Bei einem MRT vom Kopf und der Wirbelsäule wurden zum Glück kein Tumor oder Entzündungsherde festgestellt. Die Ärzte konnten die vermutete Krankheit MS noch nicht ausschliessen und um sie zu hemmen, wurde eine Kortison-Stoßtherapie angesetzt. Weiterhin  blieb die Ursache meiner Seheinschränkung ungeklärt, erst nachdem meine Mutter eine Woche später in ihrer Familiengeschichte recherchiert hatte und dabei auf weitere ähnliche Fälle innerhalb ihrer Familie stiess, schloss unsere Ärztin durch den offensichtlichen Stammbaum auf die Krankheit LHON. Ein Gentest bestätigte diese Diagnose, ich habe die seltenene Mutation 14848.

Nachdem wir wieder  Zuhause ankamen, nahm ich nach der Kontaktaufnahme mit Professor Klopstock das Medikament Raxone ein. Mein Visus hält seither den Tiefstand der Blindheit. Mein Leben befand sich im totalen Umbruch und unzählige Fragen prägten den ungewissen Alltag, die Schule konnte ich nach Ende der Sommerferien bis zu den Herbstferien nicht besuchen, meinen geliebten Sport Handball musste ich bis auf weiteres beenden. Ich lernte viele Vertreter und mir helfende Menschen kennen, doch meinen Visus brachte mir niemand wieder. Meine Familie und besonders meine Freundin halfen mir gerade stehen zu bleiben, nicht den Mut und meinen Optimismus aufzugeben und ich stand! Nach den Herbstferien begann die größte Unbekannte: die Schule. Das Landesförderzentrum Sehen Schleswig (LFS) übernahm die Vermittlung der ratlosen Kontrahenten, es begannen Fortbildungen ich erlernte neue Techniken und eine für mich völlig neue Welt!

Aktuell besuche ich die Oberstufe der Heinrich-Heine-Schule, einer Gemeinschaftsschule in Büdelsdorf und werde diese voraussichtlich 2019 mit dem Abitur verlassen. Die Schule besuche ich jetzt im gewohnten Maß weiter, dies gelingt durch Unterstützung des Landesförderzentrums Sehen. Ich habe das letzte Schuljahr (11. Klasse) trotz meiner massiven Erkrankung nicht wiederholt, da ich gerne im Klassenverband bleiben wollte.

Meine Arbeit in der Schule bewältige ich mit einem Laptop und installiertem NVDA Screenreader (Vorleseprogramm) sowie einer Braillezeile (primär für Mathematik). Außerdem werde ich den gesamten Schulalltag durch einen Schulbegleiter unterstützt, welcher primär die Digitalisierung und Verbalisierung von Schulmaterialien übernimmt. Ich nehme wie meine Mitschüler regulär am Unterricht teil, erbringe Klausuren und werde benotet. Die Orientierung funktioniert in gewohnten Räumlichkeiten und Umgebungen ohne größere Komplikationen. Für die übrigen Wege sowie das Bus- und Bahnfahren nutze ich den weißen Blindenstock. Dieser trägt neben anderen Hilfsmitteln zu der für mich essenziellen Selbständigkeit und Unabhängigkeit bei. Mit meinen Mobiltrainern habe ich auch schon das Klicksonar kennengelernt.

Mein Alltag hat sich grundlegend geändert, die Lebensqualität ist jedoch im vollen Maß erhalten geblieben. Ich habe seit dem Lebenseinschnitt meinen Optimismus und meinen starken Willen mit der Zielstrebigkeit nicht verloren, eher noch verstärkt. Seit meiner Erblindung konnte mein sportlicher Alltag mit Handball und mein täglicher Schulweg mit dem Fahrrad (6 KM) durch meinen ehemaligen Sport Judo, den ich wiederaufgenommen habe, ersetzt werden.

In meiner Zukunft plane ich nach Beendigung der Allgemeinen Hochschulreife ein Auslandsjahr gemeinsam mit meiner Freundin. Ich möchte die gesammelten Erfahrungen für das darauf folgend geplante Studium nutzen. Ich würde sehr gerne Rechtswissenschaften studieren, auch hier würde das LFS in den ersten zwei Semester noch Unterstützung leisten.

Schlussendlich bleibt bei meiner Mutation ein großer Hoffnungsschimmer einer Genesung in weiter Zukunft. Mein gelebter Optimismus und die Progression der Technik und Medizin werden hierzu bestimmt einen Teil beitragen.

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