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Wilhelm Bolze – meine Geschichte

Wilhelm Bolze - mit Sonnenbrille, weissem Shirt und lockerer Jacke darüber.
Wilhelm Bolze

LHON – was ist das? – nie gehört … bis zum November des Jahres 2019.

Ich bin Wilhelm Bolze, damals war ich 15 Jahre alt und in der 10. Klasse einer Gemeinschaftsschule.

Meine Sehstörungen bemerkte ich erst gar nicht, weil sie nur auf einem Auge waren und das andere Auge dies ausgleichen konnte. Erst als ich beim Rasieren ein Auge schloss, um ein wenig „um die Ecke“ sehen zu können, fiel mir auf, dass ich irgendwie im zentralen Sehfeld einen Fleck auf dem rechten Auge hatte.

Das war der 2. November 2019. Am Dienstag darauf ging ich zum Optiker, um einen Sehtest machen zu lassen. Der Optiker war etwas ratlos, wegen meiner Sehstörung und machte sofort einen Termin beim Augenarzt für mich. Die Augenärztin untersuchte mich ca. 2 Stunden und machte diverse Tests, konnte aber keine Ursache finden. Sie überwies mich an die Augenklinik der Charité und drängte darauf, dass ich mich dort am nächsten Tag vorstellen soll.

Also machte ich mich, mit meinen Eltern, am 06. November 2019 früh morgens, auf den Weg in die Charité. Dort wurde ich untersucht: Blut, MRT, EEG, Augen (Sehfeld, Fotografien, Augendruck). Zwischendurch nervte noch meine überengagierte Klassenlehrerin, warum ich den Facharzttermin nicht drei Wochen vorher bekannt gegeben habe, wie es als Gesetz von ihr vorgegeben war. Ohne Worte.

Als der Tag um war und die Untersuchungen nichts ergaben, wurde ich erstmal in der Neurologischen Abteilung aufgenommen. Mein Visus lag rechts bei 30%, links bei 100%.

Am nächsten Tag musste ich mich einer Rückmarkspunktion unterziehen. Da ich in meiner Freizeit viel Sport treibe, war dies mit vielen Versuchen der Ärzte verbunden. Die Ärzte wollten MS ausschließen und überlegten, mich mit Cortison zu behandeln. Prof. Salchow, von der Augenklinik, hatte aber da schon einen anderen Diagnoseverdacht. Er vermutete eine Generkrankung. Dazu gab er mein Blut in ein spezielles Labor. Mir war das erstmal egal, ich wollt einfach nur wieder gucken können. Zunächst konnte ich am 8. November wieder nach Hause gehen – mit exorbitanten Kopfschmerzen – von der Punktion.

Am 27. November 2019 waren wir wieder in der Charité. Da lag das Ergebnis des Labors vor: zu 95% liegt keine Lebersche heditiäre Optikus Neuropathie vor. Prof. Salchow war dennoch nicht überzeugt. Er wollte die 5% auch noch übersuchen lassen und beauftragte das Labor dazu. Aufgrund seiner Überzeugung verordnete er mir Raxone. Ziel war es auch, mein linkes Auge vor Sehverlust zu schützen. Der Visus des rechten Auges hatte sich auf nur noch 20% verschlechtert. Damals wusste ich gar nicht, wie toll es sich mit 20% Sehvermögen guckt.

Am 13. Dezember 2019 kam der Befund LHON (m.4640C>A)! Meine Eltern hatten sich ja inzwischen vielfältig belesen, erkundigt und Gespräche geführt und wussten über vieles Bescheid. In der Familie ist es bisher nur 1x aufgetreten und das ist, bei mir. Wir waren sehr erschrocken und doch voll Hoffnung, dass durch Raxone mein linkes Auge nicht erkrankt. Leider war dies nicht so…

Im Januar 2020 fing mein linkes Auge an, die Sehkraft zu verlieren. Im Februar hatte mein rechtes Auge einen Visus von 15% und mein linkes 30%.

Und damit fingen die Schwierigkeiten erst an. Wir sollten zur Beratungsstelle für Sehbehinderte gehen und wurden dort ausgiebig beraten und ich wurde wieder getestet. (Kantenfilterbrille, Lesegerät, Lupen, Vergrößerungssoftware, etc.) In der Schule stand mein MSA an. Die Lehrer planten und unterstützten mich sehr eindrucksvoll und großartig, so dass ich trotz Sehschwäche und Coronapandemie im Sommer 2020 meinen MSA ablegen konnte.

Im Juni wurde dann durch noch einen anderen Augenarzt meine Blindheit attestiert.

Der Termin in München bei Prof. Klopstock konnte aufgrund von Corona erst im August stattfinden, wo ich auch eine Augenärztin kennenlernte, die mich mit ein paar Trainern vom Leichtathletik/Paralympics in Kontakt brachte.

Dort absolvierte ich dann ein Probetraining, was dazu führte, dass ich in den darauffolgenden Wochen in den Bundeskader aufgenommen werden sollte. Nach schwerer Überlegung habe ich mich dann aber doch dagegen entschieden. Durch die diversen Umstellungen jetzt in meinem Leben, insbesondere in der Schule, war mir diese Zielsetzung zu intensiv. Ich hätte auch keine Zeit mehr für anderes als den Sport gehabt. Meine Freunde sind mir dazu viel zu wertvoll, als dass ich sie dafür opfern wollte. Sie unterstützen mich in jeder Weise und ich bin ihnen dafür total dankbar.

Jetzt bin ich in der 11. Klasse und mein Ziel ist es, an meiner Schule auch das ABI abzulegen. Meine Lehrer unterstützen mich sehr dabei, besonders auch im Homeschooling. Meine Tafelkamera kann ich nicht mehr benutzen, weil ich nur noch rechts 1% und links 2% sehe. Ich kann meinen Laptop jetzt mit dem 10-Finger-System bedienen und lerne die Brailleschrift. Wenn ich in der Schule sein kann, habe ich auch einen Schulassistenten an meiner Seite. Im nächsten Semester werde ich mit einer Lehrerin die Unis von Berlin abklappern um die Möglichkeiten abzuchecken, die ich habe.

Zu Hause mache ich, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, viel Fitness. Durch meine positive Lebenseinstellung und die starke Unterstützung von meiner Familie und meinen Freunden geht es mir gut und ich fühle mich auch gut. Wobei ich immer noch hoffe, dass ich bald wieder sehen kann!

Wilhelm Bolze, 24.02.2021

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